Was ist Spaced Repetition?
Was ist Spaced Repetition?
27.08.2024
Effektives Lernen ist für Studenten unerlässlich, um die Herausforderungen des Studiums erfolgreich zu meistern und Wissen nachhaltig zu verankern. In einer Welt voller Informationen und ständig steigender Anforderungen wird es immer wichtiger, Methoden zu finden, die das Lernen effizienter, einfacher und erfolgreicher gestalten. Eine solche Methode, die in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen hat, ist Spaced Repetition, auch bekannt als "verteiltes Wiederholen".
Aber was genau verbirgt sich hinter diesem Begriff? Wie funktioniert Spaced Repetition, und warum ist es so effektiv? In diesem Blogpost möchten wir euch einen umfassenden Überblick über die Methode geben, die Ursprünge beleuchten und aufzeigen, wie ihr sie als Studenten in eurem Lernalltag nutzen könnt. Lasst uns gemeinsam entdecken, wie Spaced Repetition euch helfen kann, smarter und langfristiger zu lernen!
1. Was ist Spaced Repetition?
Spaced Repetition, oder auf Deutsch "verteiltes Wiederholen", ist eine Lernmethode, die darauf abzielt, die langfristige Erinnerung an Informationen zu verbessern, indem sie die Wiederholungen des Lernstoffs über zunehmende Zeitintervalle verteilt. Statt Inhalte in kurzen, intensiven Sessions zu wiederholen, wie es bei herkömmlichen Lernmethoden oft der Fall ist, konzentriert sich Spaced Repetition darauf, die Zeit zwischen den Wiederholungen zu vergrößern, basierend darauf, wie gut der Lernende den Stoff beherrscht.
Grundprinzipien und Funktionsweise
Das Hauptprinzip von Spaced Repetition ist, dass Informationen besser im Langzeitgedächtnis gespeichert werden, wenn sie kurz vor dem Vergessen wiederholt werden. Dies beruht auf der Annahme, dass das menschliche Gehirn Informationen effizienter speichert, wenn es gezwungen ist, diese aktiv abzurufen, anstatt sie einfach durch passives Lesen oder Zuhören aufzunehmen.
Wiederholungen in zunehmenden Zeitabständen: Ein zentrales Merkmal von Spaced Repetition ist die Anpassung der Wiederholungsintervalle basierend auf dem individuellen Lernfortschritt. Zu Beginn kann die Wiederholung einer neuen Information nach einem Tag erfolgen. Wenn der Lernende den Stoff gut erinnert, wird das nächste Wiederholungsintervall verlängert, beispielsweise auf drei Tage, dann auf eine Woche, zwei Wochen und so weiter. Diese Methode zielt darauf ab, die Lernzeit zu optimieren und sicherzustellen, dass Informationen im Langzeitgedächtnis gefestigt werden.
Das Konzept der „Vergessenskurve“ und deren Bekämpfung: Die Vergessenskurve, ein Konzept, das erstmals von Hermann Ebbinghaus im 19. Jahrhundert beschrieben wurde, illustriert, wie schnell wir Informationen vergessen, wenn wir sie nicht regelmäßig wiederholen. Nach Ebbinghaus' Erkenntnissen verlieren wir einen Großteil neuer Informationen bereits innerhalb weniger Tage oder sogar Stunden, wenn keine Anstrengungen unternommen werden, diese aktiv zu behalten. Spaced Repetition zielt darauf ab, die Vergessenskurve zu bekämpfen, indem es Wiederholungen genau dann einplant, wenn die Erinnerung an die Informationen zu verblassen beginnt. Dadurch wird die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die Informationen langfristig gespeichert werden.
Abgrenzung zu herkömmlichen Lernmethoden (z.B. Massed Practice)
Spaced Repetition unterscheidet sich deutlich von herkömmlichen Lernmethoden wie dem sogenannten „Bulimielernen“, bei dem der Lernstoff in einer kurzen Zeitspanne intensiv wiederholt wird. Bulimielernen kann zwar kurzfristige Erfolge bringen, ist aber für das Langzeitlernen weniger effektiv. Die Informationen werden dabei oft nur im Kurzzeitgedächtnis gespeichert und das Risiko ist hoch, dass diese während der Klausur wieder vergessen werden.
Im Gegensatz dazu fördert Spaced Repetition die Verankerung des Wissens im Langzeitgedächtnis, indem es regelmäßige, gezielte Wiederholungen ermöglicht. Dies macht die Methode besonders effektiv für das Lernen von Fakten, Vokabeln, Formeln und anderen Informationen, die eine langfristige Verfügbarkeit im Gedächtnis erfordern.
Durch die Anwendung von Spaced Repetition können Studenten ihre Lernzeit effizienter nutzen und Stress abbauen, indem sie eine Methode verwenden, die auf soliden wissenschaftlichen Prinzipien basiert und sich in der Praxis über Jahrzehnte hinweg bewährt hat.
2. Die Geschichte und Herkunft von Spaced Repetition
Die Ursprünge des Konzepts der Spaced Repetition lassen sich bis ins späte 19. Jahrhundert zurückverfolgen, als der deutsche Psychologe Hermann Ebbinghaus Pionierarbeit auf dem Gebiet des Gedächtnisses leistete. Ebbinghaus war einer der ersten, der die Vergessenskurve erforschte, ein Modell, das beschreibt, wie schnell Informationen aus dem Gedächtnis verblassen, wenn sie nicht wiederholt werden. Durch eine Reihe von Experimenten, bei denen er sinnlose Silben auswendig lernte und deren Behaltensrate im Laufe der Zeit überprüfte, entdeckte Ebbinghaus, dass das Vergessen von Informationen exponentiell verläuft – unmittelbar nach dem Lernen tritt ein schneller Gedächtnisverlust ein, der sich dann allmählich verlangsamt.
Diese Forschung legte den Grundstein für das Verständnis, dass Wiederholungen in bestimmten Intervallen notwendig sind, um den Gedächtnisverlust zu minimieren und Informationen im Langzeitgedächtnis zu verankern. Ebbinghaus' Arbeiten inspirierten spätere Forscher und Theoretiker dazu, Strategien zu entwickeln, die die Vergessenskurve bekämpfen, was letztlich zur Entwicklung des Konzepts der Spaced Repetition führte.
Weiterentwicklung im 20. Jahrhundert
Die Idee der Spaced Repetition blieb über viele Jahrzehnte weitgehend theoretisch, bis im 20. Jahrhundert weitere Forschung die praktische Anwendbarkeit und Effizienz dieser Methode aufzeigte. Einer der bedeutendsten Beiträge kam von dem polnischen Psychologen Piotr Woźniak in den 1980er Jahren. Woźniak erkannte, dass die Erkenntnisse von Ebbinghaus eine Grundlage für eine systematische Methode bieten könnten, um die Wiederholung von Informationen zu optimieren.
Woźniak begann, Algorithmen zu entwickeln, die die optimale Zeit für die Wiederholung von Informationen berechnen konnten, um den Lernerfolg zu maximieren. Sein bekanntestes Werk, das Programm SuperMemo, wurde in den späten 1980er Jahren entwickelt und gilt als eines der ersten computergestützten Systeme, das die Prinzipien der Spaced Repetition systematisch nutzte. SuperMemo verwendet Algorithmen, um die Abstände zwischen den Wiederholungen dynamisch anzupassen, basierend auf dem individuellen Lernerfolg des Nutzers. Diese Software wurde ständig weiterentwickelt und hat zahlreiche Varianten hervorgebracht, die auf verschiedene Lernstile und Bedürfnisse zugeschnitten sind.
Die Entwicklung moderner Tools und Technologien, die Spaced Repetition nutzen (z.B. Anki, SuperMemo)
Mit dem Aufkommen des Internets und der digitalen Technologien in den letzten Jahrzehnten hat Spaced Repetition eine weite Verbreitung und Anwendung gefunden, insbesondere durch die Entwicklung moderner Lern-Tools und Apps. Eines der bekanntesten Tools ist Anki, eine Open-Source-Anwendung, die in den frühen 2000er Jahren entwickelt wurde. Mitterweile gibt es moderne Apps wie Retain, welche das Lernen mit Spaced-Repetition durch den Einsatz von neuesten Forschungsergebnissen und KI-gestützten Methoden nochmal deutlich beschnleunigen.
Durch die Weiterentwicklung der Technologien und die Anpassung an die individuellen Bedürfnisse der Lernenden wird die Methode der Spaced Repetition heute in zahlreichen Bereichen eingesetzt, von Sprachlernen über Medizinstudium bis hin zur beruflichen Weiterbildung. Dank dieser modernen Werkzeuge hat Spaced Repetition seine Effektivität in der Praxis unter Beweis gestellt und sich als eine der effizientesten Lernmethoden etabliert, die auf den Prinzipien der Kognitionswissenschaft basieren.
3. Wie effektiv ist Spaced Repetition?
Spaced Repetition hat sich im Laufe der Jahre als eine der effektivsten Lernmethoden etabliert, um Wissen langfristig zu speichern. Die ersten Untersuchungen zu den quantitativen Vorteilen dieser Methode begannen 1939 mit den Arbeiten von Herbert J. Spitzer. Seitdem hat sich eine Vielzahl von Beweisen angesammelt, die die Wirksamkeit von Spaced Repetition untermauern. Im Folgenden werden einige der wichtigsten Erkenntnisse und Vorteile von Spaced Repetition zusammengefasst:
Universelle Wirksamkeit in verschiedenen Kontexten und für verschiedene Lerninhalte: Studien haben gezeigt, dass Spaced Repetition eine „hochwirksame Methode zur Förderung des Lernens in einer Vielzahl von Umgebungen und über viele verschiedene Arten von Materialien und Verfahren hinweg“ ist (Dempster, 1989). Egal ob es sich um das Lernen von Vokabeln, mathematischen Formeln oder komplexen wissenschaftlichen Konzepten handelt – Spaced Repetition kann in vielen unterschiedlichen Bereichen erfolgreich eingesetzt werden.
Effektivität für alle Altersgruppen: Spaced Repetition ist für Menschen jeden Alters wirksam, wobei in Bezug auf die Altersgruppe nur geringe Unterschiede festgestellt wurden (Toppino, Kasserman und Mracek, 1991). Während die Methode in der Regel bei allen Altersgruppen effektiv ist, haben einige Studien gezeigt, dass sie bei Erwachsenen besonders effektiv beim Erlernen von Fähigkeiten ist, im Vergleich zum Sprachenlernen (Smith und Scarf, 2017).
Kosteneffektivität: Das Lernen mit Spaced Repetition ist „kosteneffektiv“ und kann Organisationen Geld sparen, da in derselben Zeit mehr gelernt wird (Kang, 2016). Diese Methode reduziert den Bedarf an zusätzlichen Ressourcen und Zeit, indem sie sicherstellt, dass das Gelernte nachhaltig im Gedächtnis bleibt, was wiederum die Effizienz sowohl in Bildungseinrichtungen als auch in Unternehmen steigert.
Neurologische Effekte: Es gibt auch einige Hinweise darauf, wie und warum Spaced Repetition biologisch funktioniert. Untersuchungen haben gezeigt, dass Spaced Repetition die Intensität der neurologischen Aktivität erhöht, die während des Lernens sichtbar ist (Feng et al., 2019). Diese erhöhte Aktivität könnte erklären, warum wiederholte Intervalle das Gehirn dazu anregen, Informationen tiefer zu verarbeiten und besser zu behalten.
Quantitative Vorteile beim Studium von MINT-Fächern: Spezifisch im Kontext von MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) hat Spaced Repetition gegenüber Bulimielernen signifikante Vorteile gezeigt. Die Verwendung von Spaced Repetition führte zu einem positiven Effekt mit einer Effektgröße von 0,54, was statistisch signifikant ist (Voice und Stirton, 2020). Dies deutet darauf hin, dass Spaced Repetition besonders nützlich ist, um komplexe, faktenbasierte Inhalte effektiv zu lernen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Spaced Repetition eine äußerst effektive Methode ist, die in verschiedenen Kontexten und für unterschiedliche Lernmaterialien positive Ergebnisse liefert. Die Methode hilft nicht nur dabei, das Gelernte besser im Gedächtnis zu verankern, sondern ist auch kosteneffektiv und zeigt deutliche Vorteile im Vergleich zu traditionellen Lernmethoden. Diese Faktoren machen Spaced Repetition zu einer wertvollen Technik für Studenten und Lernende jeden Alters.
4. Wie kannst du Spaced Repetition nutzen?
Spaced Repetition kann für Studenten eine äußerst effektive Methode sein, um langfristig Wissen zu speichern und effizienter zu lernen. Hier sind einige praktische Tipps, wie du Spaced Repetition in deinem Alltag nutzen kannst:
Konkrete Anwendungstipps für den Alltag
Erstellung eigener Lernkarten: Eine der gängigsten Methoden, Spaced Repetition zu nutzen, ist die Erstellung von digitalen Lernkarten (Flashcards). Tools wie Anki oder Retain bieten eine Plattform, um eigene Karteikarten zu erstellen und zu verwalten. Retain, zum Beispiel, verwendet neueste Forschungserkenntnisse und KI-gestützte Algorithmen und die optimalen Abstände für dich im Hintergrund zu berechnen.
Integration in bestehende Lernroutinen: Spaced Repetition kann am besten wirken, wenn es in bestehende Lernroutinen integriert wird. Zum Beispiel kannst du jeden Tag eine bestimmte Zeit festlegen, um deine Karteikarten zu wiederholen. Dies könnte morgens vor dem Unterricht oder abends vor dem Schlafengehen sein. Die Regelmäßigkeit und Routine helfen dir dabei, Spaced Repetition als feste Lerngewohnheit zu etablieren und so optimal für die Klausur vorbereitet zu sein.
Tipps zur Optimierung
Richtige Gestaltung von Lerninhalten: Die Art und Weise, wie du deine Karteikarten gestaltest, kann den Erfolg von Spaced Repetition erheblich beeinflussen. Es ist wichtig, dass die Lernkarten klar und prägnant sind und nur eine Information oder ein Konzept pro Karte enthalten. Dies hilft, die kognitive Belastung zu reduzieren und fördert das gezielte Lernen. Du solltest auch sicherstellen, dass du aktive Abrufmethoden (Active Recall) verwendest, indem du Fragen auf der Vorderseite der Karte schreibst und die Antworten auf die Rückseite (anstelle von Multiple-Choice Antworten). Weitere Tipps erfährst du in einem unserer Blogposts: Sinnvolle Karteikarten erstellen: Schritt-für-Schritt-Anleitung.
Anpassung der Wiederholungsintervalle je nach Lernerfolg: Ein weiterer wichtiger Aspekt der Spaced Repetition ist die Anpassung der Wiederholungsintervalle. Tools wie Retain passen diese Intervalle automatisch an, basierend darauf, wie gut du den Inhalt beherrscht. Wenn du beispielsweise eine Karte problemlos beantworten kannst, wird das Wiederholungsintervall verlängert. Wenn du hingegen Schwierigkeiten hast, wird das Intervall verkürzt. Auf diese Weise wird die Lernzeit optimal genutzt und der Lernerfolg für dich maximiert.
Indem du Spaced Repetition effektiv in deinem Alltag integrierst und die oben genannten Tipps berücksichtigst, kannst du nachgewiesenermaßen deine Lerngewohnheiten verbessern und den Weg zum langfristigen Lernerfolg ebnen. Diese Methode hilft dir nicht nur dabei, Wissen zu behalten und bessere Noten zu schreiben, sondern auch die Zeit effizient zu nutzen und das Lernen insgesamt angenehmer zu gestalten.
Quellen
Dempster, F.N. (1989). Spacing effects and their implications for theory and practice. Educational Psychology Review, [online] 1(4), pp.309–330. Available at: https://link.springer.com/article/10.1007/BF01320097.
Feng, K., Zhao, X., Liu, J., Cai, Y., Ye, Z., Chen, C. and Xue, G. (2019). Spaced Learning Enhances Episodic Memory by Increasing Neural Pattern Similarity Across Repetitions. The Journal of Neuroscience, 39(27), pp.5351–5360.
Kang, S.H.K. (2016). Spaced Repetition Promotes Efficient and Effective Learning. Policy Insights from the Behavioral and Brain Sciences, 3(1), pp.12–19.
Smith, C.D. and Scarf, D. (2017). Spacing Repetitions Over Long Timescales: A Review and a Reconsolidation Explanation. Frontiers in Psychology, 8.
Toppino, T.C., Kasserman, J.E. and Mracek, W.A. (1991). The effect of spacing repetitions on the recognition memory of young children and adults. Journal of Experimental Child Psychology, 51(1), pp.123–138.
Voice, A. and Stirton, A. (2020). Spaced Repetition: towards more effective learning in STEM. New Directions in the Teaching of Physical Sciences, (15).
Effektives Lernen ist für Studenten unerlässlich, um die Herausforderungen des Studiums erfolgreich zu meistern und Wissen nachhaltig zu verankern. In einer Welt voller Informationen und ständig steigender Anforderungen wird es immer wichtiger, Methoden zu finden, die das Lernen effizienter, einfacher und erfolgreicher gestalten. Eine solche Methode, die in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen hat, ist Spaced Repetition, auch bekannt als "verteiltes Wiederholen".
Aber was genau verbirgt sich hinter diesem Begriff? Wie funktioniert Spaced Repetition, und warum ist es so effektiv? In diesem Blogpost möchten wir euch einen umfassenden Überblick über die Methode geben, die Ursprünge beleuchten und aufzeigen, wie ihr sie als Studenten in eurem Lernalltag nutzen könnt. Lasst uns gemeinsam entdecken, wie Spaced Repetition euch helfen kann, smarter und langfristiger zu lernen!
1. Was ist Spaced Repetition?
Spaced Repetition, oder auf Deutsch "verteiltes Wiederholen", ist eine Lernmethode, die darauf abzielt, die langfristige Erinnerung an Informationen zu verbessern, indem sie die Wiederholungen des Lernstoffs über zunehmende Zeitintervalle verteilt. Statt Inhalte in kurzen, intensiven Sessions zu wiederholen, wie es bei herkömmlichen Lernmethoden oft der Fall ist, konzentriert sich Spaced Repetition darauf, die Zeit zwischen den Wiederholungen zu vergrößern, basierend darauf, wie gut der Lernende den Stoff beherrscht.
Grundprinzipien und Funktionsweise
Das Hauptprinzip von Spaced Repetition ist, dass Informationen besser im Langzeitgedächtnis gespeichert werden, wenn sie kurz vor dem Vergessen wiederholt werden. Dies beruht auf der Annahme, dass das menschliche Gehirn Informationen effizienter speichert, wenn es gezwungen ist, diese aktiv abzurufen, anstatt sie einfach durch passives Lesen oder Zuhören aufzunehmen.
Wiederholungen in zunehmenden Zeitabständen: Ein zentrales Merkmal von Spaced Repetition ist die Anpassung der Wiederholungsintervalle basierend auf dem individuellen Lernfortschritt. Zu Beginn kann die Wiederholung einer neuen Information nach einem Tag erfolgen. Wenn der Lernende den Stoff gut erinnert, wird das nächste Wiederholungsintervall verlängert, beispielsweise auf drei Tage, dann auf eine Woche, zwei Wochen und so weiter. Diese Methode zielt darauf ab, die Lernzeit zu optimieren und sicherzustellen, dass Informationen im Langzeitgedächtnis gefestigt werden.
Das Konzept der „Vergessenskurve“ und deren Bekämpfung: Die Vergessenskurve, ein Konzept, das erstmals von Hermann Ebbinghaus im 19. Jahrhundert beschrieben wurde, illustriert, wie schnell wir Informationen vergessen, wenn wir sie nicht regelmäßig wiederholen. Nach Ebbinghaus' Erkenntnissen verlieren wir einen Großteil neuer Informationen bereits innerhalb weniger Tage oder sogar Stunden, wenn keine Anstrengungen unternommen werden, diese aktiv zu behalten. Spaced Repetition zielt darauf ab, die Vergessenskurve zu bekämpfen, indem es Wiederholungen genau dann einplant, wenn die Erinnerung an die Informationen zu verblassen beginnt. Dadurch wird die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die Informationen langfristig gespeichert werden.
Abgrenzung zu herkömmlichen Lernmethoden (z.B. Massed Practice)
Spaced Repetition unterscheidet sich deutlich von herkömmlichen Lernmethoden wie dem sogenannten „Bulimielernen“, bei dem der Lernstoff in einer kurzen Zeitspanne intensiv wiederholt wird. Bulimielernen kann zwar kurzfristige Erfolge bringen, ist aber für das Langzeitlernen weniger effektiv. Die Informationen werden dabei oft nur im Kurzzeitgedächtnis gespeichert und das Risiko ist hoch, dass diese während der Klausur wieder vergessen werden.
Im Gegensatz dazu fördert Spaced Repetition die Verankerung des Wissens im Langzeitgedächtnis, indem es regelmäßige, gezielte Wiederholungen ermöglicht. Dies macht die Methode besonders effektiv für das Lernen von Fakten, Vokabeln, Formeln und anderen Informationen, die eine langfristige Verfügbarkeit im Gedächtnis erfordern.
Durch die Anwendung von Spaced Repetition können Studenten ihre Lernzeit effizienter nutzen und Stress abbauen, indem sie eine Methode verwenden, die auf soliden wissenschaftlichen Prinzipien basiert und sich in der Praxis über Jahrzehnte hinweg bewährt hat.
2. Die Geschichte und Herkunft von Spaced Repetition
Die Ursprünge des Konzepts der Spaced Repetition lassen sich bis ins späte 19. Jahrhundert zurückverfolgen, als der deutsche Psychologe Hermann Ebbinghaus Pionierarbeit auf dem Gebiet des Gedächtnisses leistete. Ebbinghaus war einer der ersten, der die Vergessenskurve erforschte, ein Modell, das beschreibt, wie schnell Informationen aus dem Gedächtnis verblassen, wenn sie nicht wiederholt werden. Durch eine Reihe von Experimenten, bei denen er sinnlose Silben auswendig lernte und deren Behaltensrate im Laufe der Zeit überprüfte, entdeckte Ebbinghaus, dass das Vergessen von Informationen exponentiell verläuft – unmittelbar nach dem Lernen tritt ein schneller Gedächtnisverlust ein, der sich dann allmählich verlangsamt.
Diese Forschung legte den Grundstein für das Verständnis, dass Wiederholungen in bestimmten Intervallen notwendig sind, um den Gedächtnisverlust zu minimieren und Informationen im Langzeitgedächtnis zu verankern. Ebbinghaus' Arbeiten inspirierten spätere Forscher und Theoretiker dazu, Strategien zu entwickeln, die die Vergessenskurve bekämpfen, was letztlich zur Entwicklung des Konzepts der Spaced Repetition führte.
Weiterentwicklung im 20. Jahrhundert
Die Idee der Spaced Repetition blieb über viele Jahrzehnte weitgehend theoretisch, bis im 20. Jahrhundert weitere Forschung die praktische Anwendbarkeit und Effizienz dieser Methode aufzeigte. Einer der bedeutendsten Beiträge kam von dem polnischen Psychologen Piotr Woźniak in den 1980er Jahren. Woźniak erkannte, dass die Erkenntnisse von Ebbinghaus eine Grundlage für eine systematische Methode bieten könnten, um die Wiederholung von Informationen zu optimieren.
Woźniak begann, Algorithmen zu entwickeln, die die optimale Zeit für die Wiederholung von Informationen berechnen konnten, um den Lernerfolg zu maximieren. Sein bekanntestes Werk, das Programm SuperMemo, wurde in den späten 1980er Jahren entwickelt und gilt als eines der ersten computergestützten Systeme, das die Prinzipien der Spaced Repetition systematisch nutzte. SuperMemo verwendet Algorithmen, um die Abstände zwischen den Wiederholungen dynamisch anzupassen, basierend auf dem individuellen Lernerfolg des Nutzers. Diese Software wurde ständig weiterentwickelt und hat zahlreiche Varianten hervorgebracht, die auf verschiedene Lernstile und Bedürfnisse zugeschnitten sind.
Die Entwicklung moderner Tools und Technologien, die Spaced Repetition nutzen (z.B. Anki, SuperMemo)
Mit dem Aufkommen des Internets und der digitalen Technologien in den letzten Jahrzehnten hat Spaced Repetition eine weite Verbreitung und Anwendung gefunden, insbesondere durch die Entwicklung moderner Lern-Tools und Apps. Eines der bekanntesten Tools ist Anki, eine Open-Source-Anwendung, die in den frühen 2000er Jahren entwickelt wurde. Mitterweile gibt es moderne Apps wie Retain, welche das Lernen mit Spaced-Repetition durch den Einsatz von neuesten Forschungsergebnissen und KI-gestützten Methoden nochmal deutlich beschnleunigen.
Durch die Weiterentwicklung der Technologien und die Anpassung an die individuellen Bedürfnisse der Lernenden wird die Methode der Spaced Repetition heute in zahlreichen Bereichen eingesetzt, von Sprachlernen über Medizinstudium bis hin zur beruflichen Weiterbildung. Dank dieser modernen Werkzeuge hat Spaced Repetition seine Effektivität in der Praxis unter Beweis gestellt und sich als eine der effizientesten Lernmethoden etabliert, die auf den Prinzipien der Kognitionswissenschaft basieren.
3. Wie effektiv ist Spaced Repetition?
Spaced Repetition hat sich im Laufe der Jahre als eine der effektivsten Lernmethoden etabliert, um Wissen langfristig zu speichern. Die ersten Untersuchungen zu den quantitativen Vorteilen dieser Methode begannen 1939 mit den Arbeiten von Herbert J. Spitzer. Seitdem hat sich eine Vielzahl von Beweisen angesammelt, die die Wirksamkeit von Spaced Repetition untermauern. Im Folgenden werden einige der wichtigsten Erkenntnisse und Vorteile von Spaced Repetition zusammengefasst:
Universelle Wirksamkeit in verschiedenen Kontexten und für verschiedene Lerninhalte: Studien haben gezeigt, dass Spaced Repetition eine „hochwirksame Methode zur Förderung des Lernens in einer Vielzahl von Umgebungen und über viele verschiedene Arten von Materialien und Verfahren hinweg“ ist (Dempster, 1989). Egal ob es sich um das Lernen von Vokabeln, mathematischen Formeln oder komplexen wissenschaftlichen Konzepten handelt – Spaced Repetition kann in vielen unterschiedlichen Bereichen erfolgreich eingesetzt werden.
Effektivität für alle Altersgruppen: Spaced Repetition ist für Menschen jeden Alters wirksam, wobei in Bezug auf die Altersgruppe nur geringe Unterschiede festgestellt wurden (Toppino, Kasserman und Mracek, 1991). Während die Methode in der Regel bei allen Altersgruppen effektiv ist, haben einige Studien gezeigt, dass sie bei Erwachsenen besonders effektiv beim Erlernen von Fähigkeiten ist, im Vergleich zum Sprachenlernen (Smith und Scarf, 2017).
Kosteneffektivität: Das Lernen mit Spaced Repetition ist „kosteneffektiv“ und kann Organisationen Geld sparen, da in derselben Zeit mehr gelernt wird (Kang, 2016). Diese Methode reduziert den Bedarf an zusätzlichen Ressourcen und Zeit, indem sie sicherstellt, dass das Gelernte nachhaltig im Gedächtnis bleibt, was wiederum die Effizienz sowohl in Bildungseinrichtungen als auch in Unternehmen steigert.
Neurologische Effekte: Es gibt auch einige Hinweise darauf, wie und warum Spaced Repetition biologisch funktioniert. Untersuchungen haben gezeigt, dass Spaced Repetition die Intensität der neurologischen Aktivität erhöht, die während des Lernens sichtbar ist (Feng et al., 2019). Diese erhöhte Aktivität könnte erklären, warum wiederholte Intervalle das Gehirn dazu anregen, Informationen tiefer zu verarbeiten und besser zu behalten.
Quantitative Vorteile beim Studium von MINT-Fächern: Spezifisch im Kontext von MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) hat Spaced Repetition gegenüber Bulimielernen signifikante Vorteile gezeigt. Die Verwendung von Spaced Repetition führte zu einem positiven Effekt mit einer Effektgröße von 0,54, was statistisch signifikant ist (Voice und Stirton, 2020). Dies deutet darauf hin, dass Spaced Repetition besonders nützlich ist, um komplexe, faktenbasierte Inhalte effektiv zu lernen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Spaced Repetition eine äußerst effektive Methode ist, die in verschiedenen Kontexten und für unterschiedliche Lernmaterialien positive Ergebnisse liefert. Die Methode hilft nicht nur dabei, das Gelernte besser im Gedächtnis zu verankern, sondern ist auch kosteneffektiv und zeigt deutliche Vorteile im Vergleich zu traditionellen Lernmethoden. Diese Faktoren machen Spaced Repetition zu einer wertvollen Technik für Studenten und Lernende jeden Alters.
4. Wie kannst du Spaced Repetition nutzen?
Spaced Repetition kann für Studenten eine äußerst effektive Methode sein, um langfristig Wissen zu speichern und effizienter zu lernen. Hier sind einige praktische Tipps, wie du Spaced Repetition in deinem Alltag nutzen kannst:
Konkrete Anwendungstipps für den Alltag
Erstellung eigener Lernkarten: Eine der gängigsten Methoden, Spaced Repetition zu nutzen, ist die Erstellung von digitalen Lernkarten (Flashcards). Tools wie Anki oder Retain bieten eine Plattform, um eigene Karteikarten zu erstellen und zu verwalten. Retain, zum Beispiel, verwendet neueste Forschungserkenntnisse und KI-gestützte Algorithmen und die optimalen Abstände für dich im Hintergrund zu berechnen.
Integration in bestehende Lernroutinen: Spaced Repetition kann am besten wirken, wenn es in bestehende Lernroutinen integriert wird. Zum Beispiel kannst du jeden Tag eine bestimmte Zeit festlegen, um deine Karteikarten zu wiederholen. Dies könnte morgens vor dem Unterricht oder abends vor dem Schlafengehen sein. Die Regelmäßigkeit und Routine helfen dir dabei, Spaced Repetition als feste Lerngewohnheit zu etablieren und so optimal für die Klausur vorbereitet zu sein.
Tipps zur Optimierung
Richtige Gestaltung von Lerninhalten: Die Art und Weise, wie du deine Karteikarten gestaltest, kann den Erfolg von Spaced Repetition erheblich beeinflussen. Es ist wichtig, dass die Lernkarten klar und prägnant sind und nur eine Information oder ein Konzept pro Karte enthalten. Dies hilft, die kognitive Belastung zu reduzieren und fördert das gezielte Lernen. Du solltest auch sicherstellen, dass du aktive Abrufmethoden (Active Recall) verwendest, indem du Fragen auf der Vorderseite der Karte schreibst und die Antworten auf die Rückseite (anstelle von Multiple-Choice Antworten). Weitere Tipps erfährst du in einem unserer Blogposts: Sinnvolle Karteikarten erstellen: Schritt-für-Schritt-Anleitung.
Anpassung der Wiederholungsintervalle je nach Lernerfolg: Ein weiterer wichtiger Aspekt der Spaced Repetition ist die Anpassung der Wiederholungsintervalle. Tools wie Retain passen diese Intervalle automatisch an, basierend darauf, wie gut du den Inhalt beherrscht. Wenn du beispielsweise eine Karte problemlos beantworten kannst, wird das Wiederholungsintervall verlängert. Wenn du hingegen Schwierigkeiten hast, wird das Intervall verkürzt. Auf diese Weise wird die Lernzeit optimal genutzt und der Lernerfolg für dich maximiert.
Indem du Spaced Repetition effektiv in deinem Alltag integrierst und die oben genannten Tipps berücksichtigst, kannst du nachgewiesenermaßen deine Lerngewohnheiten verbessern und den Weg zum langfristigen Lernerfolg ebnen. Diese Methode hilft dir nicht nur dabei, Wissen zu behalten und bessere Noten zu schreiben, sondern auch die Zeit effizient zu nutzen und das Lernen insgesamt angenehmer zu gestalten.
Quellen
Dempster, F.N. (1989). Spacing effects and their implications for theory and practice. Educational Psychology Review, [online] 1(4), pp.309–330. Available at: https://link.springer.com/article/10.1007/BF01320097.
Feng, K., Zhao, X., Liu, J., Cai, Y., Ye, Z., Chen, C. and Xue, G. (2019). Spaced Learning Enhances Episodic Memory by Increasing Neural Pattern Similarity Across Repetitions. The Journal of Neuroscience, 39(27), pp.5351–5360.
Kang, S.H.K. (2016). Spaced Repetition Promotes Efficient and Effective Learning. Policy Insights from the Behavioral and Brain Sciences, 3(1), pp.12–19.
Smith, C.D. and Scarf, D. (2017). Spacing Repetitions Over Long Timescales: A Review and a Reconsolidation Explanation. Frontiers in Psychology, 8.
Toppino, T.C., Kasserman, J.E. and Mracek, W.A. (1991). The effect of spacing repetitions on the recognition memory of young children and adults. Journal of Experimental Child Psychology, 51(1), pp.123–138.
Voice, A. and Stirton, A. (2020). Spaced Repetition: towards more effective learning in STEM. New Directions in the Teaching of Physical Sciences, (15).